Sprachisolation

Von Abelard über Wilhelm von Humboldt bis Martin Heidegger ist sich das Abendland gewiß, daß die Sprache dem Angesprochenen gehört und nicht dem Sprechenden. Das heißt, die Sprache nimmt die Gestalt des Angesprochenen auf und dann gegenwärtig wird. In Österreich heißt das einfach: „Wenn man den Teufel nennt, kommt er g`rennt“. Damit tritt er in die Gegenwart des Bewußtseins.

Die Sprache besteht aus den Gestalten der Schöpfung, die angesprochen werden und damit eine Verbindung zwischen der Welt der Schöpfung und dem Sprechenden herstellt. Das zeigt sich in der Ordnung der Sprache wie auch in der Art ihrer Darstellung. Der Panther hat das gedehnte „a“ durch das „h“ hinter dem „T“, so daß er Platz hat sich unkontrolliert zu bewegen. 

Die Sprachveränderung durch die Sprachereform hat die Bewegung der Gestalten eingeschränkt. Eine Schülerin bekam Streit mit Ihrem Ehemann, weil Sie das Wort „Fluß“ nicht mit zwei „S“ schreiben wollte, also „Fluss“, wie es nach der Neuregelung der Sprache angezeigt wäre. Ihr Ehemann beharrte auf der neuen Form, während sie durch diese Neuregelung meinte, daß der Fluß damit nicht mehr seiner Art gemäß fließen kann und damit dem Flußhaften beraubt ist. Deshalb recherchierte sie und fand, daß der Fluß früher mit „sz“ oder „z“ geschrieben wurde.

Der Fluß als Gestalt des Daseins ist für den Menschen damit nicht mehr begreifbar, der Fluß selbst nicht mehr gegenwärtig. Sein Fließen erreicht den Menschen nicht mehr, er ist nur noch in der Funktion gegenwärtig, somit für Systeme und Kollektive verwertbar.

Damit ist der Mensch von der Gestalt der Schöpfung isoliert. Er erreicht die Gestalten nicht mehr und ist inhaltlich an sie nicht mehr gebunden.

Der Begriff des Senkrechtschreibens, des Rechtschreibens, die Orthographie, kennzeichnet nicht mehr die Eigenständigkeit des Menschen. Er ist in einer Welt, die er nicht mehr kennt und die ihm nicht mehr begegnet, er ist verloren und räumlich isoliert. Dies spiegelt sich im Umgang mit der Sprache.

Das sind die Verbrechen der Neuzeit, die die Gestalt durch Funktion ersetzt, - etwa im Begriff der Kindertagesstätte mit KiTa oder des Lehrlings mit Azubi.

Man sollte die, die die Sprache in dieser Form zerstören aus dem allgemeinen Bewußtsein ausschließen und ihnen weder Kinder noch Lehrlinge anvertrauen, weil sie die Ordnung zerstören und dem Leben keinen Raum geben.

Goethe ist der Urheber der Sprachveränderung und damit ist Hölderlin isoliert von den Gestalten der Schöpfung, - erst nach Goethe kamen die Sprachordner zum Zuge.


Wolfgang Döbereiner
1. April 2012